Nachhaltig, flexibel, skandinavisch
Die Anforderungen an Bürogebäude haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Sie müssen auf der einen Seite konsequent unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten geplant, gebaut und betrieben werden und auf der anderen Seite müssen sie den sich wandelnden Arbeitsprozessen gerecht werden. Gefragt ist eine Architektur, die Kollaboration und individuelles Arbeiten gleichermaßen ermöglicht. Arbeitsplätze sollen Kreativität fördern, zum Wohlbefinden beitragen und durch eine nachhaltige Gestaltung zukunftsfähig sein.
Das Anna-Lindh-Haus – im Zentrum der deutschen Hauptstadt – trägt diesen hohen Anforderungen in besonderer Weise Rechnung.
Lise Gandrup Jørgensen, CEO und Partnerin bei Dorte Mandrup Architects im Interview
Im Jahr 2021 hatte CA Immo gemeinsam mit dem Land Berlin zehn internationale, hochkarätige Architekturbüros zu einem anonymen architektonischen Realisierungswettbewerb eingeladen. Als Sieger konnte sich Dorte Mandrup Architects gegen renommierte Büros wie David Chipperfield (Platz 2) oder Ortner & Ortner (Platz 3) durchsetzen.
1999 von Dorte Mandrup gegründet, genießt das Büro längst einen exzellenten Ruf für konzeptionell starke und innovative Entwürfe, die sich durch eine analytische Herangehensweise und die Verbindung von Form und Material auszeichnen, Qualitäten, die sich auch im Entwurf für das Anna-Lindh-Haus zeigen.
Im Gespräch erzählt die Architektin Lise Gandrup Jørgensen von der Idee hinter dem Entwurf des Büros von Dorte Mandrup Architects, von gemeisterten Herausforderungen und ihren gestalterischen Entscheidungen.
Frau Gandrup Jørgensen, man hört immer wieder den Begriff des „Skandinavischen Designs“. Was hat es damit auf sich und findet sich das auch in Ihrem Entwurf für das Anna-Lindh-Haus?
Als dänisches Architekturbüro sind unsere Entwürfe selbstverständlich in der skandinavischen Designtradition verwurzelt. Diese zeigt sich häufig in einem starken Fokus auf die Verbindung von Form und Funktion, dem Bezug zur Natur, Einfachheit und dem Wohlbefinden des Menschen.
Im Anna-Lindh-Haus lassen sich diese Prinzipien auf verschiedene Weise erkennen. Beispielsweise haben wir großen Wert darauf gelegt, möglichst viel sanftes, natürliches Licht ins Gebäude zu bringen. Dafür nutzen wir einen Sonnenschutz, der eine sehr transparente Glasfassade ermöglicht, gleichzeitig jedoch Blendung reduziert und Überhitzung verhindert.
Das offene Erdgeschoss schafft eine starke Verbindung zwischen Innen- und Außen. Durch die Integration begrünter Elemente innen sowie auf verschiedenen Terrassen verstärken wir zusätzlich das Gefühl, stets mit der Außenwelt in Kontakt zu sein.
Die sichtbare Holzkonstruktion in Kombination mit sanften, natürlichen Farben verleiht dem Gebäude eine ruhige, fast wohnliche Atmosphäre. Uns ist es wichtig, durch unsere Architektur ästhetische, funktionale und einladende Räume zu schaffen, die Interaktion, Reflexion und Gemeinschaft fördern.
Wie hat Ihr Team das architektonische Konzept für das Anna-Lindh-Haus entwickelt, und welche Rolle spielte die Holzhybridbauweise bei der Umsetzung?
Für uns bot das Anna-Lindh-Haus die Gelegenheit, zu erforschen, wie ein Bürogebäude in Form und Funktion zu einem markanten Bestandteil der Europacity werden kann. Dabei ging es uns nicht darum, ein neues architektonisches Wahrzeichen zu schaffen, sondern ein Statement zu setzen, wie das Bürogebäude der Zukunft aussehen kann – warm, einladend, flexibel, offen und harmonisch in den städtischen Kontext integriert.
Wesentliche Bestandteile dieses Konzepts sind ein hoher architektonischer Qualitätsanspruch sowie eine verantwortungsvolle Bauweise. Die Holzhybrid-Konstruktion wurde gewählt, da sie leicht, kosteneffizient und umweltfreundlich ist und zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks beiträgt. Auf emotionaler Ebene sorgt das sichtbare Holz für eine warme, natürliche Haptik und erschafft einen Raum, in dem Materialität nicht nur gesehen, sondern auch gefühlt werden kann.
Wie fügt sich das Anna-Lindh-Haus harmonisch in das städtische Umfeld der Europacity am Europaplatz ein? Welche besonderen Herausforderungen gab es hierbei?
Bei jedem Projekt versuchen wir, eine soziale Dimension einzubringen. Wir stellen uns die Frage, wie wir einen Ort schaffen können, der über eine rein funktionale Nutzung hinausgeht. Die Lage des Anna-Lindh-Hauses im Herzen Berlins, direkt gegenüber dem Hauptbahnhof – einem zentralen Ankunftsort für viele Menschen – stellte uns vor die Herausforderung, einen Raum zu gestalten, der aktiv zum städtischen Leben beiträgt. Unser Ziel war es, eine Verbindung zwischen Innen- und Außen zu schaffen und die Europacity durch ein Gebäude zu bereichern, das warm und einladend wirkt.
Um dies zu erreichen, haben wir die Fassade im Erdgeschoss differenziert gestaltet und offene, öffentliche Nutzungen wie eine Galerie, ein Café und ein Fitnessstudio integriert. Diese Räume laden Menschen dazu ein, zu verweilen und sich auszutauschen.
Zur Aufwertung der Umgebung haben wir entlang der Jean-Monnet-Straße einen gemeinschaftlich genutzten Mobilitätsbereich mit Begrünung und Terrassen geschaffen. Der neue Platz zur Minna-Cauer-Straße wurde als barrierefreier Raum realisiert – mit einer sanften Neigung, einer integrierten Rampe und Treppen. Diese Terrassierung setzt sich auch im Erdgeschoss fort, sodass innen und außen auf derselben Ebene liegen und ein offenerer Raumeindruck entsteht.
Eine weitere Herausforderung war die Lage des Gebäudes an stark befahrenen Straßen. Zudem befindet sich das Gebäude über einem unterirdischen öffentlichen Verkehrssystem mit Tunneln. Dies erforderte eine strategische Platzierung der Gebäudekerne und Funktionen, um die Gesamtlast so gering wie möglich zu halten. Ein positiver Nebeneffekt dieser Planung war die erhebliche Reduzierung der Untergeschossfläche, was sich gut in unsere Strategie zur Förderung sanfter Mobilität und öffentlicher Verkehrsmittel einfügt.
Die Fassade des Anna-Lindh-Hauses ist sehr ungewöhnlich. Was war der gestalterische Leitgedanke?
Die Fassade reflektiert und bricht das Sonnenlicht wie ein Kristall und erzeugt dabei ein faszinierendes Spiel aus Licht und Schatten, das sich beim Annähern an das Gebäude entfaltet. Die Transparenz der Fassade sorgt dafür, dass die Holzhybrid-Konstruktion sichtbar wird und als warmer, einladender Kontrast zur Glasfassade wirkt.
Man könnte fast sagen, dass diese Fassade „lebendig“ wird. Gleichzeitig ist die große Gesamtfläche in einzelne kleinere Segmente gegliedert. Das führt dazu, dass das Gebäude, trotz seiner beachtlichen Größe die Proportion zum menschlichen Körper bewahrt.